Kindercamp auf Rügen feiert 60-jähriges
Spatzen sind flügge geworden
An einem Dezemberabend des Jahres 1949 hat sich der damals 17-jährige Dieter Weiß zusammen mit vier weiteren jungen Arbeitern der Maßindustrie Werdau überlegt, wie man nach den grausamen Jahren des Zweiten Weltkrieges wieder eine sinnvolle Freizeit gestalten könnte. Am Sonnabend hat der Lichtentanner noch einmal eine Blick zurück auf das geworfen, was sich aus den Ideen von damals entwickelt hat: das Kindercamp "Spatzen" auf der Insel Rügen.
"Wenn ich die zurückliegenden 60 Jahre, die es das kleine Ferienlager jetzt schon gibt, Revue passieren lasse, bin ich schon ein wenig stolz auf das, was wir dort geschaffen haben. Ohne die Unterstützung meiner Ehefrau Ingeburg hätte ich meinen Beitrag dazu aber nicht leisten können", sagte der "Spatzenvater" während der Feierstunde im Haus der Sparkasse. Zusammen mit weit mehr als 100 Mitstreitern, Freunden und Sponsoren stieß der inzwischen 77-Jährige auf den Spatzengeburtstag und damit auch auf sein Lebenswerk an. Besonders freute er sich, dass dem Lichtentanner Kinderferienlager das Schicksal vieler ähnlicher Einrichtungen erspart geblieben ist, und das Camp auch nach der politischen Wende fortgeführt werden konnte.
In einem mit vielen Details gespickten Vortrag erinnerte Dieter Weiß an einige Stationen
aus der bewegten Geschichte des Spatzencamps auf Rügen.
Mittlerweile läuft das Lager unter der Regie eines Fördervereins. Vor drei Jahren hat Dieter Weiß den Vereinsvorsitz an seine Tochter Dorit Schellenberg abgegeben. "Es waren große Schuhe, in die ich gestiegen bin und erst hineinwachsen musste. Angst vor der Aufgabe hatte ich eigentlich nicht, denn mein Vater steht mir noch immer zur Seite und ist mit genauso viel Begeisterung bei der Sache wie eh und je", sagte die neue Spatzenchefin. Zugleich betonte sie, dass der Förderverein stets auf der Suche nach Mitgliedern ist. "Nicht aus Eigennutz, sondern ausschließlich im Interesse der Kinder", betonte sie.
Die jungen Leute standen von Anfang an im Mittelpunkt der Bemühungen von Dieter Weiß und seinen Mitstreitern. Nachzulesen in drei dicken Ordnern, die die Chronik des Spatzencamps inzwischen schon füllt. An einen kleinen Teil erinnerte der Spatzenvater am Sonnabend während eines Vortrages. Begonnen hat alles 1950 mit der Gründung der Kulturgruppe "Spatzen", bestehend aus Lehrlinge der Maßindustrie Werdau und der Tuchfabrik Werdau. Noch im gleichen Jahr stand der erste gemeinsame Zelturlaub an der Ostsee auf dem Programm, dem weitere folgten. 1958 erhielten die Spatzen ein 1000 Quadratmeter großes, umzäuntes Grundstück am Nordstrand von Göhren als Dauerzeltplatz zugewiesen.
Zehn Jahre wurden sie mit einer fadenscheinigen Begründung des damaligen Bürgermeisters von dort vertrieben. In Altefähr auf Rügen fanden sie einen neuen "Nistplatz". In den vergangenen Jahren wurde das Camp umfassend saniert.
Neben dem "Spatzengeburtstag" gibt es 2010 noch ein bemerkenswertes Ereignis: Der 10.000 kleine Gast wird im Lager ein paar unbeschwerte Ferientage verbringen.
erschienen am 25.04.2010 ( Freie Presse )